Urteil gegen Sean Combs verwundert: Wie geht es jetzt weiter?
Mit der Verurteilung von Sean "Diddy" Combs haben viele gerechnet, doch nun fiel das Urteil doch deutlich milder aus als erwartet.

Die lebenslange Haftstrafe für Sean Combs ist nun vom Tisch.
In einem aufsehenerregenden Prozess wurde Sean "Diddy" Combs am Mittwoch wegen "Beförderung zur Prostitution" in zwei Fällen schuldig gesprochen. In den schwerwiegenderen Anklagepunkten – Menschenhandel und Verschwörung zur Bildung einer kriminellen Organisation – folgte jedoch ein unerwarteter Freispruch. Wie geht es jetzt weiter?
Deutlich geringere Strafe möglich
Durch den Freispruch in den Hauptanklagepunkten steht Combs nun keine lebenslange Haft mehr bevor. Stattdessen könnte die Strafe auf wenige Jahre reduziert werden – das genaue Strafmaß wird am 3. Oktober verkündet. Eine Entlassung auf Kaution wurde bereits abgelehnt, Combs bleibt also vorerst hinter Gittern.
Hat sich die Anklage verschätzt?
Viele Experten sprechen von "prosecutorial overreach" – also überzogenen Vorwürfen der Staatsanwaltschaft. Diese hatte den Fall mit großem Aufwand aufgebaut und argumentiert, Combs habe seine Firma als kriminelles Netzwerk genutzt, um über Jahre hinweg Frauen zu manipulieren und auszubeuten. Eine Argumentation, die auf das RICO-Gesetz zurückgriff, das sonst bei Mafia-Strukturen Anwendung findet.
Die Jury – acht Männer und vier Frauen – ließ sich davon offenbar nicht überzeugen. Die zahlreichen Einzeldelikte, darunter Entführung, Brandstiftung (etwa im Fall Kid Cudi) und Drogenhandel, reichten nicht aus, um den Komplex als "kriminelles Netzwerk" im Sinne des RICO-Gesetzes zu bewerten.
Skepsis gegenüber den Zeuginnen
Besonders die Aussagen der beiden zentralen Zeuginnen – Cassie und "Jane" – stießen wohl auf Zweifel. So fragte die Jury während der Beratungen, ob es rechtlich relevant sei, wenn jemand selbst nach Drogen fragt. Dies könnte darauf hindeuten, dass einige Geschworene die Aussagen zur angeblich fehlenden Selbstbestimmung der Frauen infrage stellten.
Frauenrechtsanwältin Dr. Ann Olivarius äußerte sich kritisch zum Urteil: "Ich bin überrascht, dass die Jury Combs bei den schwersten Anklagepunkten freigesprochen hat, obwohl die Beweise meines Erachtens klar waren. Begriffe wie 'Menschenhandel' und 'Racketeering' sind jedoch mit kulturellen Bildern verknüpft – etwa mit Ausbeutung armer Ausländer oder Mafiastrukturen. Diddys Verhalten entsprach diesen Stereotypen nicht. Das hat der Verteidigung Raum für ihre Erzählung gegeben – und es hat funktioniert."
Die Rolle von Juror Nr. 25
Auch innerhalb der Jury scheint es Diskussionen gegeben zu haben. Gleich zu Beginn der Beratungen wurde der Richter darum gebeten, ein Mitglied zu ermahnen – der mysteriöse Juror Nr. 25.
Zudem wirkte die Jury am Dienstagabend noch unentschlossen, entschied sich dann aber binnen einer Stunde am nächsten Tag für einen Freispruch in den Hauptpunkten. Was in der Jury genau geschah, bleibt vorerst unklar.
Juristen wie Professorin Anna Cominsky bringen es auf den Punkt: "Die angebliche kriminelle Organisation war die Schwachstelle – und die Jury hat sie nicht akzeptiert."
Ob sich ein Jurymitglied in den nächsten Tagen öffentlich äußert, bleibt abzuwarten. Die Anklage und alle, die fest von Combs Schuld überzeugt sind, können mit dem aktuellen Ergebnis aber alles andere als zufrieden sein.
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